Durch die fehlende Vollautomatisierung inklusive automatischer Proben-zuführung fand die Voltammetrie selbst in der Trinkwasserroutineanalytik von Metallspuren nur wenig Anwendung.
Für eine Vollautomation der Voltammetrie einschließlich des Probenwechsels sind mikroprozessorgesteuerte Geräte, die u.a. von EG&G/PAR, METROHM und TACUSSEL angeboten werden, im allgemeinen einsetzbar.
Bis Ende der 80er Jahre wurden Voltammetriegeräte mit automatischer Probenzuführung angeboten, die aber entweder wieder vom Markt genommen wurden (PAR 316) oder sich für die Spurenanalyse nicht durchsetzen [89] konnten.
Als Ursachen traten neben mechanischen Problemen auch Kontaminationsprobleme auf. Bei diesen Probenwechselsystemen wurde entweder die jeweilige Meßzelle von einem Probenteller per Lift zur Elektrodenanordnung transportiert, oder die Proben wurden in eine fest installierte Meßzelle gepumpt. Die Standard- oder Pufferlösungen wurden dann mittels Dosierautomaten in die Meßzelle oder den Probenstrom der Durchflußmeßzelle eingebracht. Das Hauptproblem bei dem Einsatz eines Probentellers in der Analytik stellt zweifelsohne das Kontaminationsrisiko im Falle sehr unterschiedlicher Probenkonzentrationen dar, denn die Elektroden können hier nicht beliebig gespült werden. Auch bei fest installierten Meßzellen muß der gesamte Pump- und Ansaugbereich mit Waschlösung gespült werden.
Neben Systemen, bei denen eine HMDE mit spezieller Zelle eingesetzt wird [90], führte die Entwicklung von Autoanalysatoren auch zu Durchflußmeßzellen, die von der Probe ohne Unterbrechung durchflossen werden oder bei denen sogar ein Lösungsaustausch nach der Anreicherung vorgenommen werden kann [91].
Durch die Kombination von Rechnern mit Pumpensystemen, Ventilen und Potentiostaten wurde die Entwicklung von Fließsystemen möglich, bei denen z.B. die Probenzuführung über eine Probenschleife und die Puffer-zusammensetzung mit einstellbarem Mischungsverhältnis in eine Durchfluß-zelle (PAR 303A SMDEmit PAR 420 flow cell) erfolgt [92]. Dadurch sollten die Vorteile der Fließinjektionsanalyse, besonders die reproduzierbare Injektion sehr kleiner Probenvolumina in einem kontinuierlich fließenden Trägerstrom bei anschließender Detektion im „stopped-flow“-Modus, für die Voltammetrie genutzt werden können und die Automation ermöglichen. Reagenzien und Probelösungen sind zudem vor atmosphärischen Gasen und einer Kontamination geschützt, und die automatische Systemsteuerung ermöglicht eine Steigerung der Präzision.
Da automatische Durchflußmeßzellen mit hängendem Tropfen vergleichsweise teuer sind, sehr empfindlich auf Erschütterungen oder Blockaden der Quecksilberkapillaren reagieren und zudem auch die Quecksilberausbringung zu Schwierigkeiten führen kann, wurden Durchflußmeßzellen mit Quecksilberfilmelektroden vorgestellt, bei denen die reproduzierbare Erneuerung der Elektrodenoberfläche durch verschiedene Verfahren ermöglicht werden sollte.
Für die „online“-Bestimmung von Nickel in Wasserproben wurde die adsorptive Voltammetrie des Dimethylglyoximkomplexes an einer Quecksilberfilmelektrode auf einem Träger aus glasartigem Kohlenstoff eingesetzt [93], bei der die Erneuerung der Elektrodenoberfläche durch Zugabe eines Natriumthiocyanat-Elektrolyten und eines programmierten Potentialverlaufes gewährleistet wird. Wie bei der Bestimmung von Quecksilber auf Goldelektroden wird durch die Zugabe von Thiocyanat das Auflösungspotential des Quecksilbers in die kathodische Richtung verschoben, wodurch der Quecksilberfilm nach jeder Messung vollständig entfernt werden kann (bei 0,3V), ohne daß die Elektrodenoberfläche einem stark positiven Potential ausgesetzt werden muß, was zu einer Beschädigung führen würde.
Trotz einer aufwendigen Programmierung und Unterteilung der Messungen in viele Einzelschritte zur Konditionierung und Reinigung der Elektrode können 3 bis 8 Messungen/Stunde durchgeführt werden. Für eine Anreicherungszeit von 30 Sekunden wurde als unterster Konzentrationsbereich 1,3 µg/l Nickel angegeben.
Tab.8 Nachweisgrenzen (DL) und Konzentrationsbereiche (CR) aus [94] |
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Metall | DL (µg/l) | CR (µg/l) |
Zn | 25,4 | 0 - 100 |
Cd | 0,3 | 0 - 5 |
Pb | 1,4 | 0 - 15 |
Cu | 2,6 | 0 - 15 |
Bei einer neu entwickelten Durchflußmeßzelle zur Bestimmung von Blei, Cadmium, Kupfer und Zink in Frisch-wasser [94] ist die Elektrode aus glasartigem Kohlenstoff auf einem Ultraschallresonator plaziert, um die Reinigung der Elektrodenoberfläche und die reproduzierbare Erneuerung der Quecksilberfilmelektrode zu ermöglichen. Für die Reinigung wird für 10-20 Sekunden ein Potential von maximal 0,5 V unter Ultraschall eingestellt. Die hier in Tab. 8 abgebildeten, von Martinotti et al [94] angegebenen Nachweisgrenzen (Detection limit, DL) und Konzentrationsbereiche (CR) sind für eine Anreicherungszeit von 180 Sekunden und anschließender Bestimmung im Square-Wave-Modus jedoch relativ hoch (vergl. Tab. 4).
Die beschriebenen Durchflußmeßzellen mit Quecksilberfilmelektroden sind nur für Proben ähnlicher Zusammensetzung, zumeist Trinkwasser, eingesetzt worden, da neben der reproduzierbaren Bildung eines definierten, homogenen Quecksilberfilms auch dessen vollständige Entfernung vor einer erneuten Messung Probleme bereitet [93]. Für die Analyse sehr unterschiedlicher Probenmaterialien, die eine sehr komplexe Matrix mit einem hohen Anteil an Restorganik aufweisen, wie es z.B. bei Lebensmittelaufschlüssen der Fall ist, sind die flüssigen Quecksilberelektroden den Quecksilberfilmelektroden aus den in Kapitel 5.1 beschriebenen Gründen deutlich überlegen. Da im vollautomatischen Betrieb ein Polieren der evtl. inaktivierten Elektrodenoberfläche unmöglich ist, liegt es daher nahe, eine Elektrode mit hängendem Quecksilbertropfen einzusetzen, die sich bereits mit Erfolg bewährt hat. Diese Elektrode muß zudem einem Autosamplersystem zugänglich sein oder diesem zwecks Lösungsaustausch und Reinigung angepaßt werden können.
Eine solche Entwicklung stellt natürlich auch eine ganze Reihe von Anforderungen an das Meßwerterfassungs- und Ablaufsteuerungsprogramm.
Keines der genannten vollautomatischen Geräte verfügt über bidirektionale Schnittstellen, mit denen einerseits die Methodenerstellung, Ablaufsteuerung und Meßwerterfassung der voltammetrischen Analyse, andererseits die freie Programmierung und Steuerung eines entsprechenden Autosamplers von einem Rechner aus möglich ist. Die Eingabe der Meßmethode und der benötigten Parameter hat über die Konsole der Meßgeräte selbst zu erfolgen, und die Analysemöglichkeiten des Grundgerätes können nicht durch eine Rechnerkopplung mit einem übergeordneten Programm erweitert werden. Einzelne Funktionen der Automation können somit nicht jederzeit verändert oder ergänzt werden, und die effektive Verwaltung und Verarbeitung von Analysenmethoden, Probenlisten und Analysedaten ist bei der angestrebten Flexibilität durch einen Rechner nicht möglich. Zudem ist auch die beliebige Verknüpfung zusätzlicher Peripheriegeräte zur Ergänzung der Meßapparatur wünschenswert, deren Steuerung dem Analytiker zugänglich sein muß.
Da außer den voltammetriespeziefischen Problemen die Meßwerterfassung und Ablaufsteuerung auch auf andere Meßmethoden und Analysenprizipien übertragbar ist und auch von diesen genutzt werden soll, wird im folgenden auf die methodenübergreifende Entwicklung eines Meßwerterfassungs- und Ablaufsteuerungsprogramms eingegangen.
[89] Arts, W.; Bretschneider, H.J.; Holste, F.; Neemeyer, R.; Rickert, B.: Vorschlag zur Vollautomatisierung der Voltammetrie/Polarographie bei Verwendung eines Probentellers, Fresenius. Z.Anal. Chem. 323 (1986) 364-367.
[90] Bond, A.M.; Knight, R.W.; Newman, O.M.G.: Anal Chem 60 (1988) 2445 – 2448 in [60].
[91] Stulik, K.; Pacakova, V.: Elektrochemical measurements in flowing liquids, Ellis Horwood (1987) New York, London, Toronto, Sydney Tokyo Singapore.
[92] Mahoney, L.A.; O`Dea, J.; Osteryoung, G.: Development and characterization of an automated flow system for voltammetric analysis, Analytica Chimica Acta, 281 (1993) 25-33.
[93] Diederich, H-J.,; Meyer, S.; Scholz, F.: Automatic adsorptive stripping voltammetry at thin-mercury film electrodes (TMFE), Fresenius J. Anal Chem 349 (1994) 670-675.
[94] Martinotti, W.; Queirazza, G.; Guarinoni, A.; Mori, G.: In-flow speciation of copper, zinc, lead and cadmium in fresh waters by square wave anodic stripping voltammetry, Part II. Optimization of measurement step, Analytica Chimica Acta 305 (1995) 183-191.